Über Yogi Männer, Dogmen & Festivals – Interview mit Roland Jensch

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Um Yoga zu erfahren und zu leben muss man sich nicht irgendwo im Himalaya in eine Höhle zurückziehen oder versuchen irgendwelchen Klischees zu entsprechen. Auch in unserem urbanen Umfeld ist eine tiefe Yogapraxis möglich. Denn das, was wir ständig suchen, ist schon längst da und wir brauchen eigentlich bloß noch zu lernen genau hinzuschauen.

Roland Jensch Ansicht nach kann man als Lehrer nur das weitergeben, was man auch selbst erfahren hat. Als Grundlage für seinen Unterricht sieht er so die eigene, intensive Praxis.

Roland ist Schüler von Tsakpo Rinpoche in der Tradition des tibetisch tantrischen Buddhismus. Er ist begeisterter Vinyasa Yoga-Lehrer und unterrichtet neben seinen regulären Klassen bei Lord Vishnus Couch in Köln zahlreiche Workshops, Retreats und in Teacher-Trainings. Gemeinsam mit seiner Frau Liz Huntly organisiert er die Groove Yoga Festivals.

1. SEIT WANN BIST DU UNTEN DEN YOGIS?

Roland: Yoga ist ein Weg. Vielmehr als ein Ziel. Jemand der Yoga praktiziert ist auf einem Weg und nicht unbedingt auf einem Weg zu irgendeinem festgelegten Ziel. Das spiegelt sich in meiner Biographie zum Teil wieder. Die ist nämlich eher wild. Wobei das meiner Beobachtung nach aber gar nicht so untypisch ist für viele, die später sehr intensiv Yoga betreiben.

Ich war z.B. selbstständig als Konzert-Veranstalter, hauptsächlich für Punk-Rock, Hardcore und Heavy-Metal. Ich habe auch mal einige Zeit in der Casting-Abteilung einer großen TV-Produktion gearbeitet. Ich habe dort verschiedene Soaps mit Darstellern besetzt. Ich hatte zwischendurch auch einen Nebenjob bei einem Bestatter. Vordergründig einfach um ein bisschen Geld zu verdienen, aber auch weil mich das ganze Thema rund um den Tod sehr interessiert hat. Ich würde das heute immer noch als prägend betrachten.

Während des Jobs beim Fernsehen habe ich dann Yoga für mich entdeckt. Zuerst haben mich daran tatsächlich die philosophischen Aspekte interessiert.

Ich war einfach total fasziniert von der Idee, dass es so etwas wie Erleuchtung gibt.

Roland JenschNach einigen Recherchen stieß ich dann drauf, dass diese Erleuchtung durch Arbeit mit dem Körper erfahrbar gemacht werden kann. Mir schien das alles aus der Seele zusprechen und so habe ich mich nach und nach mehr damit beschäftigt. Eines meiner ersten Bücher zum Thema war Licht auf Yoga von Iyengar.

Das erste knappe Jahr habe ich mit diesem Buch bei mir zu Hause in der Dachgeschosswohnung versucht Couch bei Frank Schuler gelandet. Mittlerweile sind wir auch freundschaftlich verbunden, aber ich bin immer noch sehr dankbar, für alles, was er mir in dieser ersten Zeit vermittelt hat.Neben regelmäßigen Studio-Besuchen habe ich täglich oft mehrere Stunden auch zu Hause Asanas und Pranayama geübt. Ich schätze ich wollte es wirklich wissen. Bald hatte ich keine Zeit mehr für den Job in Casting-Abteilung. Wo gehobelt wird fallen eben Späne! Spaß gemacht hat’s mir da eh selten.

Natürlich gab es dann auch ein ziemlich intensive Ashtanga-Phase in der ich mich so richtig ausgetobt habe. Einige Indien-Reisen u.a. auch um in Mysore bei Sharath zu üben waren schon fast obligatorisch.

Mittlerweile lasse ich es ruhiger angehen. Meine eigene Praxis ist natürlich immer noch körperlich. Einen großen Teil verbringe ich aber mit Meditation. Besonders seit ich Tsakpo kennengelernt habe.

2. WAS IST DENN DEINE LIEBLINGSMEDITATION?

Roland: Ich habe ganz verschieden Techniken kennengelernt. Z.B. viele Visualisierungen und Mantren aus dem Vajrayana Buddhismus. Am liebsten bin ich momentan einfach ein sitzender Mensch. Tatsächlich liegt darin eine Menge Potential. Für mich ist mit der Stille viel Freude verbunden. Ich freue mich manchmal schon am Tag zuvor drauf, dass ich mich morgen früh wieder hinsetzen kann.

3. DU VERANSTALTEST AUCH DAS YOGA GROOVE FESTVAL. WAS KÖNNEN WIR ERWARTEN?

Roland: Auf den ersten Blick erscheinen die Festivals ähnlich wie beispielsweise die viel größeren Wanderlust Festivals in den USA. Es gibt viele Yoga-Klassen und Workshops und auch andere Bewegungsformen wie z.B. Tanz. Wir haben zusätzlich viel Musik im Programm, DJ-Sets und live Konzerte und immer mal wieder bildende Kunst in verschiedenen Formen.

Eine Besonderheit, die die The Groove Festivals ausmacht ist dabei aber der persönlich Charakter. Es sollen Menschen mit Menschen zusammen kommen. Bei uns steht nicht der Konsum von einem Produkt im Vordergrund, sondern der persönlich Kontakt. Wir möchten eine Plattform schaffen, auf deren Grundlage bestimmte Werte wie Gemeinschaft, ein offenes Herz und die damit verbundene Freude und Toleranz nicht bloß Theorie sind.

YOGA GROOVE FESTIVAL

4. GIBT ES AUCH BIER ODER NUR GRÜNE SMOOTHIES?

Roland: Ne, es gibt am Abend auch Bier. Wir haben immer
Abendveranstaltungen, sprich Konzerte und kleine Partys im Programm und da gibt es auch alkoholische Getränke.

Es darf ruhig ein bisschen bunter, ein bisschen wilder werden.

Bei uns sitzt der Veganer neben dem Fleischesser. Derjenige, der Alkohol konsequent ablehnt, der nimmt dann neben jemanden Platz, der sich abends einen Gin Tonic reinzieht und dann sind da ganz strikte Yogis, die eigentlich sehr, sehr traditionell praktizieren neben Lifestyle-Yogis. Bei uns hat wirklich jeder Platz und jeder soll willkommen sein.

5. WIE STEHST DU ZUM VEGETARISMUS?

Roland: Ich bin selbst Vegetarier. Ich habe mir aber zum Beispiel vor kurzem in Mexiko mit Liz eine Portion Tintenfischringe bestellt. Ich finde es wichtig offen zu bleiben. Ich möchte nicht nach einem Dogma leben.

Ich glaube Yoga ist gar nicht so dogmatisch wie es manche interpretieren. An diesem Ort in Mexiko hat es für mich absolut Sinn gemacht etwas aus dem Meer zu essen. Das war in einem kleinen Fischerdorf und das Beste, was du bekommen konntest war Seafood. Lokal und unter fairen Bedingungen. Besser als im Bio-Supermarkt. Es hat für mich viel mehr Sinn gemacht, diese Tintenfischringe zu essen anstatt Tofu, der mit irgendeinem Flugzeug oder einem Frachtschiff vielleicht aus Asien importiert wäre.

Roland Jensch

6. ALSO FINDEST DU YOGA HAT KEINE REGELN?

Roland: Yoga ist so wenig dogmatisch, dass es für manche sicherlich einige Dogmen gibt auf dem Weg.

Roland Jensch

Es gibt viele Leute, die ganz klare Vorschriften brauchen. Ich hatte z.B. so eine Phase, als ich mit dem Yoga begonnen habe. Ich habe gern getrunken, war viel feiern und habe so allerlei dummes Zeug angestellt. Danach hatte ich dann erstmal eine dreijährige total abstinente Phase. Da habe ich streng vegan gelebt, ich habe keinen Kaffee getrunken, gar keinen Alkohol usw.

Jetzt hat sich das wieder auf ein gutes Mittelmaß eingependelt. Veganismus ist im Moment nichts für mich. Ich esse durchaus Eier und Käse. Und zum Beispiel auch die besagten Tintenfischringe waren völlig okay. Ich trinke gerne ein Glas Wein oder ein Bier am Abend. Aber eben alles in Maßen.

Was Yoga bedeutet kann nur jeder für sich selbst herausfinden. Mein Tipp dabei ist, sich nicht zu scheuen eine Idee, vielleicht eine Regel die man sich auferlegt hat, auch mal über Bord zu werfen, wenn die Zeit reif ist dafür.

7. DENKST DU DIESER AKTUELLE YOGA-BOOM WIRD BALD WIEDER ABFLACHEN ODER NACHHALTIG WEITER WACHSEN?

Roland: Das ist schwer zu sagen. Ich bin ja kein Prophet. Seit dem Yoga auch wirtschaftlich interessanter geworden ist, sind für mich einige negative Tendenzen auszumachen. Durch verschiedenen Einflüsse wird es schon sehr verwässert. Manchmal bleibt Ende nicht mehr viel Yoga übrig. Außerdem dem Namen. Unter dem Deckmantel der fernöstlichen Gymnastik verbirgt sich dann vielleicht irgendwann eine ganz andere Lehre. Ich möchte jetzt nicht die Meckerziege sein, aber ich finde manche Auswüchse des Kapitalismus und Yoga sind nur schwer vereinbar.

Ich denke aber schon, dass der Wunsch, sich von Leid zu befreien und Frieden zu finden groß genug ist und immer einen festen Platz haben wird. Dieses ganze Hetzen nach mehr, mehr Einkommen, mehr Prestige, einem schöneren Haus, einer schöneren Frau – das führt ja zu nichts. Immer mehr Menschen sehen das ein. Fest steht, dass Yoga einen festen Platz in unserer Gesellschaft hat.

Es gibt immer mehr und vor allem immer größere Yoga-Studios. Ich bin selbst Dozent in einigen Yogalehrer-Ausbildungen. Die Anzahl an Teilnehmer von Teachertrainings wächst stetig um den wachsenden Markt zu befriedigen. Jedes Klatsch-Magazin, das etwas auf sich hält, hat inzwischen Artikel über Yoga im Repertoire und es wird z.B. berichtet wenn Promis mit ihren Yogamatten durch LA schlurfen.

Ich glaube, dass es immer mehr Anbieter geben wird die Yoga verkaufen. Was dann wirklich dahinter steckt bleibt abzuwarten.

8. WIE SIND DIE GESCHLECHTERQUOTEN IN DEINEN KLASSEN?

Roland: Es schwankt. Sicherlich sind bei einem Lehrer im Gegensatz zu einer Lehrerin oft mehr Männer. Die Hemmschwelle ist niedriger. Die denken sich wahrscheinlich, „Ah, wenn da ein Mann unterrichtet, dann wird das schon nicht zu weich sein“. Zumindest ging es mir so. Es sind aber definitiv wesentlich mehr Frauen.

9. WORAN LIEGT DAS EIGENTLICH?

Roland: Einen Teil dazu tragen diese merkwürdigen Vorstellungen und Klischees verbunden mit festen Geschlechterrollen bei. Yoga gilt häufig als nicht männlich. Yoga ist als ein Frauen-Ding verrufen. Und das obwohl Yoga traditionell von Männern dominiert war.

Bekannt ist zum Beispiel das im 20. Jahrhundert Krishnamacharya einer der ersten Lehrer war der auch Frauen Yoga unterrichtet hat. Davor war Yoga eine Männerdomäne. Yoga ist dann hier im Westen angekommen und das Blatt hat sich gewendet. Ich denke schon, dass zukünftig auch wieder mehr Männer zum Yoga finden.

Roland Jensch

10. WARUM SOLLTEN MÄNNER MEHR YOGA MACHEN?

Roland: Allein schon weil es dem körperlichen sehr entgegenkommt. Männer die Sport machen, trainieren häufig sehr einseitig und oft auch sehr verbissen. Ich schätze da spielt z.B. der Konkurenz-Gedanke eine Rolle. Den meisten würde es gut tuen körperlich und auch mentale Verspannungen aufzulösen oder zumindest zu lockern.

Wo soll ich da anfangen und aufhören? Yoga ist einfach ein Komplettpaket das jedem gut tut. Ich glaube, die Diskussion über Yoga für Frauen und Yoga für Männer stellt sich gar nicht. Es geht nicht darum ob es dir als Mann oder dir als Frau gut tut. Es tut dir als Mensch gut.

Danke für das Interview Roland.

2 thoughts on “Über Yogi Männer, Dogmen & Festivals – Interview mit Roland Jensch

  1. Stefanie says:

    Schönes Interview, danke Melissa! Besonders die Aussage von Roland “sich nicht zu scheuen eine Idee, vielleicht eine Regel die man sich auferlegt hat, auch mal über Bord zu werfen, wenn die Zeit reif ist dafür.” fand ich super! Seinen Prinzipien treu, aber offen bleiben für Veränderung.

  2. Benjamin Best says:

    Vielen Dank für die schönen Worte, Roland! Dem Text würde ein Lektorat gut tun, da sind leider viele Tippfehler etc. drinne.

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