Was ist Pratyahara? – Über den Rückzug der Sinne

Was ist Pratyahara-

Vor kurzem habe ich euch das Yogasutra vorgestellt. In der “Bibel des Yoga” wird Yoga als ein achtgliederiger Weg vorgestellt. Die Glieder bilden eine Einheit und stehen alle in Beziehung zueinander. Heute möchte ich euch das fünfte Glied Pratyahara genauer vorstellen, da es wahrscheinlich den wenigsten von euch bekannt ist, jedoch eine zentrale Rolle in der Yogapraxis einnimmt.

1Was ist Pratyahara?

Pratyahara setzt sich aus den beiden Sanskritwörtern prati (weg, gegen) und ahara (Nahrung) zusammen. Das bedeutet soviel wie das “Meistern der äußeren Einflüsse” oder der “Rückzug der Sinne”. Pratyahara hat die Funktion, die äußeren und inneren Aspekte des Yoga miteinander zu verbinden und hilft uns dabei, von der einen zur anderen Seite zu gelangen.
Um es anders auszudrücken, wir können nicht fleißig Asanas ausüben und auf einmal in die Meditation übergehen. Um vom Körper zum Geist zu gelangen. müssen verschiedene Aspekte beachtet werden. Unsere Atmung, Sinne und Geist müssen miteinander verbunden und kontrolliert werden.

Um diesen Übergang zu meistern benötigen wir Pranayama (das vierte Bindeglied) und Pratyahara. Pranayama hilft uns, unsere Energien, Impulse und Atmung zu kontrollieren. Pratyahara unterstützt die Beherrschung und das Zurückziehen unserer Sinne. Beide Bindeglieder sind für eine erfolgreiche Meditation unerlässlich.


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Im Yoga existieren drei Ebenen von ahara:

  • Die erste bildet die physische Nahrung, welche wir unserem Körper zuführen.
  • Die zweite Ebene bilden die Sinneseindrücke, sprich Töne, Gerüche, Bilder, Berührungen usw. Sie nähren ebenfalls unseren Geist.
  • Unsere Beziehungen zu anderen Menschen bilden die dritte Ebene.

Pratyahara erwartet von uns, dass wir auf ungesunde Ernährung und Eindrücke verzichten, sowie für Beziehungen aller Art offen sind. Wer seinen Geist stärkt und vor negativen Einflüssen schützt, stärkt ebenfalls seinen Körper und bringt seinen Geist zur Ruhe. Wer an Stress, Lärm usw. leidet, sollte Pratyahara üben, um dann auch erfolgreich meditieren zu können.

„Wenn die Sinne sich von ihren Objekten zurückziehen und sozusagen in das Eigenwesen des Geistes eingehen, so ist das Pratyahara“ – „daraus resultiert die vollkommene Beherrschung der Sinne“. – Patanjali

2Die 4 Formen des Pratyahara

Es gibt 4 Hauptformen von Pratyahara:

  • 1. Indriya-Pratyahara (Beherrschung der Sinne)
  • 2. Prana-Pratyahara (Beherrschung von Prana)
  • 3. Karma-Pratyahara (Beherrschung des Handelns)
  • 4. Mano-Pratyahara (Rückzug des Geistes von den Sinnen)

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Jede Form hat ihre eigenen Methoden und alle sind unabhängig von einander. In der heutigen Zeit werden unsere Sinne durch die Massenmedien förmlich überflutet und unser oftmals hektische Alltag bringt Stress, Reizüberflutung und eine übermäßige Menge an Gefühlen mit sich. Deshalb ist Indriya-Pratyahara wohl die wichtigste Form, welche es zu erlernen gilt. Sie stärkt den Geist, verringert die Abhängigkeit von unseren Gefühlen und hilft dabei, mit der Masse an Sinneseindrücken umzugehen. Sinneseindrücke machen uns zu dem was wir sind und bilden die Grundlage für unser Unterbewusstsein. Wenn wir unsere Sinne nicht beherrschen können, sind wir nicht fähig zu meditieren. Wie sich aber von den Sinnen zurückziehen? Das muss nicht unbedingt eine Meditation mit geschlossenen Augen, sondern kann auch ein Rückzug in die Natur oder in eine Hütte in ‚einsamer‘ Umgebung sein, um von der Reizüberflutung Abstand zu nehmen. Um das Prana zu beherrschen, bietet sich Pranayama an. Mehr dazu findet ihr hier.

Karma-Pratyahara meint, dass wir uns unseres Handelns bewusst werden und nie von Belohnungen ausgehen. Mano-Pratyahara impliziert, unseren Geist zu beherrschen, was automatisch dazu führt, dass wir auch unsere Sinne beherrschen. Es handelt sich dabei um eine komplette Fokussierung auf den Geist und die Loslösung von allem anderen um uns und in uns.

„Pratyahara geschieht, wenn der Geist in der Lage ist, seine gewählte Richtung beizutragen und die Sinne nicht wie gewöhnlich mit den Objekten, die sie umgeben, verbinden. Im Zustand von Pratyahara folgen die Sinne dem Geist in seiner Ausrichtung.“ – Patanjali

3Pratyahara in der Praxis

Auch wenn es erst einmal kompliziert und vielleicht auch unverständlich erscheint, ist die Philosophie hinter Pratyahara doch relativ einfach. Wer zum Beispiel regelmäßig verschiedene Atemtechniken praktiziert und sich voll und ganz darauf konzentriert, erlangt automatisch Pratyahara. Im Idealfall schirmt man sich von der Außenwelt ab und lenkt seine Sinne voll und ganz auf die Atmung. Im Vordergrund steht immer der Rückzug der Sinne, nur wird jeder von uns ein anderes Motiv dafür haben. Für den einen geht es zum Beispiel darum Lärm auzuschließen, für den anderen sich aus dem stressigen Alltag zurück zu ziehen und nur auf seine Asanas zu fokussieren. Für viele gilt Yoga als körperliches Wohlbefinden, für manche Yogis gilt Yoga jedoch auch als spirituelle Disziplin die mit der Stärkung und Beherrschung des Geistes einher geht.

Wenn ihr mehr über Pratyahara und allgemein das Yogastura lernen möchtet, dann empfehle ich euch „Die Yoga-Sutras im Alltag leben“ von Eckart Wolz-Gottwald.

Habt ihr euch schon einmal in eurer Yoga Praxis mit Pratyahara auseinandergesetzt oder habt ihr hilfreiche Tipps zum Thema Zurückziehen der Sinne? Wir freuen uns über eure Kommentare zu diesem doch sehr komplexen Thema.

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